Hof Butenland ist nicht der einzige Lebenshof in Deutschland, wohl aber einer der bekanntesten. Die Betreiber Jan Gerdes und Katrin Mück haben dem Autoren und Regisseur Marc Pierschel (The End of Meat) erlaubt, sie über zwei Jahre auf ihrem Weg zu begleiten und Bilder und Geschichten im Kuhaltersheim einzufangen. Allerdings kann ich den Film nicht ganz kritiklos erwähnen.
Premiere mit besonderen Gästen
Es war wirklich eine Überraschung, dass zur Premiere nicht nur Marc Pierschel, sichtlich gesundheitlich angeschlagen, vor Ort war, sondern auch die beiden Beitreibenden, um die der Film sich eigentlich dreht: Jan Gerdes und Karin Mück.
Gerade noch auf der Leinwand standen sie nach dem Abspann dem Saal Rede und Antwort und abgesehen von einem Selbstdarsteller waren auch gute Fragen dabei.
Übrigens werde ich nichts über die technische Seite schreiben, die ist in jedem Belang (Kamera, Bildsprache, Ton) nicht zu Beanstanden.
Vegan?
Besonders interessant finde ich, dass der Film das Wort Vegan eigentlich gar nicht erwähnt, sondern sich auf den Hof und das Drumherum fokussiert. Das Mensch-Tier-Verhältnis steht im Vordergrund. Nur einmal kommt es zur Sprache, als die Betreiberin erwähnt, dass Menschen durch einen Besuch auf dem Hof vegan geworden sind.
Beide haben eine bewegende Vergangenheit. Jan Gerdes ist Sohn von Landwirten mit sog. Milchkühen, hat nach der Hofübernahme die Produktion auf Bio (Demeter) umgestellt und letztendlich verstanden, dass es den Tieren damit auch nur bedingt besser geht. Durch Karin Mück, Tierrechtlerin und -befreierin aus Versuchslaboren in den 1970ern, hat er letztendlich seinen Hof zu einem Lebenshof umgebaut. Die letzten Kühe wurden dann nicht mehr abgeholt, sondern durften bis an ihr “natürliches” Ende dort “frei” und in Würde leben.
Deutsches (Un)Recht
Auch wenn der Film für manche wie ein Leuchtturm wirkt und Landwirten (und Menschen) zeigen kann, dass eine Kuh kein Nutztier ist, sondern ein Lebewesen mit Bedürfnissen, ist Hof Butenland mit seinen ca. 45 Kühen doch nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein – verglichen mit den 9500 Kühen, die täglich in Deutschland geschlachtet werden.
Kühe müssen “für den Export” jährlich einem speziellen Seuchentest (Fixierung, Blutentnahme) unterzogen werden, sonst dürfen sie nicht auf die Weide. Das müssen auch die Kühe in dem Kuhaltersheim, die niemals exportiert werden oder überhaupt den Hof ohne Notfalls je verlassen würden.
Das Konzept Lebenshof gibt es für den Gesetzgeber nicht.
Ab 12 Jahre
Zur Premiere waren Kinder unter 12 Jahren im Saal. Im Film werden aber nicht nur Szenen vom Hof gezeigt, sondern auch die Filme, die Karin damals vor Gericht vorgelegt hatte, die sie in Versuchslaboren dokumentiert hatte. Diese Szenen sind nicht einmal für alle Erwachsenen ertragbar – ich finde, es hätte dafür eine Trigger-Warnung geben sollen. Oder mehr auf die Altersempfehlung durch die Betreiber geachtet werden sollen.
Die bewegende Geschichte um Bulle Paul war wohl der emotionale Höhepunkt von Butenland. Aufgrund eines Beinbruchs, der von Tierkliniken aufgrund seiner Spezies nicht behandelt werden konnte (wäre er nur mal Pferd oder sog. Haustier gewesen), musste er eingeschläfert werden. Niemand im Saal bewegte sich oder traute sich laut zu atmen. Selbst jetzt stimmt mich die Erinnerung daran noch traurig.
Butenland – ansehen oder nicht?
Wenn der Film in deiner Stadt kommt, schau ihn dir an! Egal ob du vegan lebst, oder nicht.
Es ist keiner dieser typisch veganen Propagandafilme mit halbgar präsentierten oder schlicht falschen Fakten (Cowspiracy, Game Changers), sondern zeigt einen alternativen Weg für die Gesellschaft. Das muss konsequent weitergedacht werden.
Toll fand ich auch den Applaus für Jan und Karin. Das war kein normaler Applaus, es war ein aufrichtiges Dankeschön.
Nur eine Aussage hat mich geärgert: “Milch ist kein gutes Lebensmittel für den Menschen”. Doch, sie ist ernährungstechnisch ein ausgezeichnetes Lebensmittel für den Menschen. Allerdings ist es ethisch aktuell in keinster Weise vertretbar. Da hätte ich mir etwas mehr Genauigkeit gewünscht. Aber solange das mein einziger, echter Kritikpunkt bleibt, ist das Gemecker auf hohem Niveau.
Ich freue mich auf meinen Reward aus der Crowdfunding-Kampagne.