Das Boulevard- und Nachrichtenmagazin Focus nutzt die Oster-Flaute wieder einmal, um alte Kamellen aufzuwärmen. Gerne gesehen ist dabei natürlich ein kontroverses Thema – oder anders gesagt: Ein Thema, dass eigentlich nicht kontrovers ist, mit polemischer Überschrift aber die übrlichen zwei Lager auf die Barrikaden ruft.
Sarah Wiener knows best
Da ist sie wieder: Die „Starköchin“ aus dem Fernsehen. Das ihr nur deswegen irgendwelche Kompetenz in Sachen Ernährungsfragen zugesprochen werden, wundert sicherlich nicht nur mich immer wieder. Zumindest, wenn man ihre Ergüsse beim Focus als Vegan-Haterin liest.
Laut dem „Nachrichtenmagazin“ rechnet sie mit „Veganer*innen“ ab. Liest man den Text, kommen diese zwar vor, aber abgerechnet wird eigentlich mit einer ganz anderen Sorte Mensch: Dem Geiz-ist-geil-Menschen, der sein Steak für 99 Cent aus der Grabbeltheke zieht und meint, damit etwas für eine gute und ausgewogene Ernährung getan zu haben. Der gemeine Billigfleischkonsument.
„Denn die achten nicht auf artgerechte Tierhaltung“ meint Frau Wiener dazu.
„Ohhh, echt????? DAS konnte ja keiner ahnen!!!11einself“
Artgerecht?
Was Frau Wiener aber nicht auffällt: Ist Tierhaltung zum Zweck der Tötung überhaupt artgerecht? Wie kann etwas artgerecht sein, wenn eine Spezies überzüchtet in einen Stall gesperrt wird, um für den Menschen Milch oder Fleisch zu liefern?
Oder überhaupt: Wie ist das ethisch vertretbar? Das Wort ist schwierig definierbar, denn eigentlich sollte ein speziesgerechtes Leben angestrebt werden. Also, wenn überhaupt, dann nicht zum Nutzen Anderer, sondern auf das Individuum abgestimmt. So wie jeder Mensch auch individuell behandelt werden will. Und schon gar nicht in Ställen, sondern auf Wiesen und Wäldern.
Das ist nicht wirtschaftlich? Dann macht es eben so teuer, wie es sein muss, damit die westliche Welt wieder zur Vernunft kommt!
„Artgerecht ist nur die Freiheit“ ist auch so ein Thema, dass in der Thierethik kontrovers diskutiert wird. Die aktuell gezüchteten Generationen hätten in Freiheit sicher nicht lange zu lachen.
„Sojamilch ist künstlich“
Die sogenannte Starköchin geht noch eine Stufe weiter. Und sie hat wohl offensichtlich keine Ahnung! Oder es wird absichtlich dieses eine Beispiel angeführt, damit man wie in den BILD-artigen Medien darauf rumreiten kann, weil das Zielpublikum so ein leicht verdauliches Fressen vorgesetzt bekommt und es eh nicht anderweitig nachprüft.
Ganz richtig erkennt sie, dass Alpro-Sojamilch „chemische“ Zusatzstoffe beinhaltet. NEIN!?! Aber an die echte Pflanzenmilch, die bei den mitdenkenden Veganern nicht von Danone kommt, denkt sie nicht. Warum muss Alpro herhalten? Wieso nicht die Bio-Tochter Provamel? Das würde doch auch Frau Wiener sicher besser passen. Nur eben nicht in die Argumentation.
Gute Pflanzendrinks, nicht -milch, bestehen aus Wasser, der Bohne bzw. dem Getreide und selten ein Schuss Öl oder eine Alge mit Calcium und Jod. Von den Zusatzstoffen, die sie mit Cola gleich setzt, ist nicht die Spur zu sehen. Mit den Inhaltsstoffen der Kuhmilch wird hier allerdings nicht verglichen. Wundert mich beim Focus ehrlich gesagt nicht.
Das ist doch natürlicher, als Muttermilch einer fremden Spezies zu trinken oder in den Kaffee zu schütten. Warum schüttet eigentlich keiner menchliche Muttermilch in seinen Kaffee? Geschmacklich soll die doch nicht schlecht sein. Warum auch?! Aber auch an Pflanzendrinks hat man sich nach einer Woche gewöhnt.
„Vegan zu leben fördert weder die Nachfrage nach Produkten aus einer anständigen Tierhaltung noch die nach natürlichen, ökologisch erzeugten Lebensmitteln aus der eigenen Region.“
Bitte was? Warum sollten Veganer*innen Tierhaltung in rigend einer Form fördern? Wurde da falsch zitiert oder wirklich nicht auch nur eine Sekunde drüber nachgedacht? Und den Rest tu ich als polemische Unterstellung ab. Das tun Menschen unabhängig von der Ernährung, oder eben nicht.
Ökologisch wertvoll?
Grundlegend kann ich ihr auch Recht geben: saisonal, regional und frisch zubereitet ist schon sehr geil. Nur eben gern ohne totes Tier. Denn das ist noch schlimmer zur Umwelt als das bisschen Soja für die Ersatzprodukte von uns Pflanzenfressern, das zumeist eh noch regional angebaut wird, wenn man beispielsweise Tofu von Taifun bzw. Tukan kauft. Oder Hafermilch selbst machen für wenige Cent mit deutschem Hafer und deutschem Leitungswasser. Regionaler geht’s nur aus dem eigenen Garten.
Leider darf sie auch noch demnächst zusammen mit ihrem Bruder im Herzen, dem Veganhasser Udo Pollmer, im DLF seinen Kreuzzug gegen die Herbivoren unterstützen. Keine glänzende Auswahl der sonst so guten DLF-Redaktion. Vielleicht stellt sie sich ja besser an als Pollmers letzer Hasspredigt, der nachträglich seiner diffamierenden Quellen (ohne Bezug zum Artikel) beraubt und als Kolumne gekennzeichnet wurde? Wäre für den DLF und seinen sonst recht guten Ruf zu hoffen. Ich denke, der Graslutscher hat dazu schon genug gesagt.
Ein Viertel der deutschen wäre gern Vegan
Weit verwunderlicher finde ich die Umfrage mitten im Artikel: „Könnten Sie vegan leben?“ möchte der Focus von seinen Lesern wissen. (Vegan heißt hier anscheinend „nur“ pflanzliche Ernährung.)
Über 26000 Menschen haben mitgemacht und ich bin überrascht: 28% haben klar gesagt, dass sie auf Fleisch und Co. verzichten können. 11% sind unentschlossen bzw. Flexitarier. 61% meinen, nicht auf Fleisch verzichten zu können.
Dann frage ich mich: Warum ernähren sich aktuell nur 1% der Deutschen rein pflanzlich? Immerhin sind ja schon 10% Vegetarisch – wenigstens ein Anfang. Aber 28% sind beide selbst zusammen nicht.
Wir sehen also: Potenzial ist da, wenngleich die Umfrage bei Focus sicherlich nicht wirklich repräsentativ ist.
Ha, dass ich nicht lache! Die Wiener lebt auch in ihrer Welt und lästert gegen alles andere. Pollmer ist ein unfähiger Mensch, der als kontroverser Polemiker gern in der Gossenpresse gesehen ist. Klicks bringen Werbegeld.
Abgesehen davon bin ich erstaunt über die Focusleser. Eigentlich sind die ja eher so das RTL-publikum im Netz und davon sind soviele so neutral? Krass.
Wiener und Pollmer. Das muss man sich als Pflanzenfresser erstmal auf der Zunge zergehen lassen.