Cyberpunk 2077 vs. Hühnerei zum Frühstück

Ich musste schon etwas schlucken, als ich zuletzt die DLF Sendung Corso als Podcast nachhörte: Die Entwickler vom Hype-Videospiel Cyberpunk 2077 werden von einem Interviewpartner mit einem Huhn in Massentierhaltung verglichen – weil sie über dem „normalen Rahmen“ ausgebeutet wurden. Der Vergleich hinkt an einer bestimmten Stelle.

Cyberpunk 2077

Sicherlich hast du es mitbekommen: Cyberpunk 2077 ist da. Schießlich wurde es durch alle Medien getrieben. Immer dabei: Kritik an den Arbeitsbedinugungen der Mitarbeitenden. Crunch. Oder deutscher: Finalisierungsphase eines Spiels.Mitunter wohnen die Menschen im Büro, arbeiten 12h und länger täglich. Ziemlich normal in der Gaming-Welt. Und während sich früher damit gebrüstet wurde, ist die Welt heute etwas klüger und verurteilt dieses fast schon menschenverachtende Verhalten.

Völlig zurecht!

Dieses Gabaren ist nur einem Umstand geschuldet: Pünktliche Veröffentlichung. Hier: Weihnachtsgeschäft. Zudem wurde bereits davor mehrfach der Release verschoben und die Fans wurden ungehaltener. Und am Ende sollte es eben auf den Markt – der Publisher und Geldgeber hat es so bestimmt. Und wie es eben aktuell läuft, hat man als kleiner Arbeitender eher keine Chance dagegen. Außer, man geht. Ein dickes Problem unserer Zeit.

DLF Corso und der Hühnervergleich

In der DLF Sendung Corso vom 14.12.2020 wird für diesen Zustand ein etwas makaberer Vergleich gezogen:

„Es ist wie bei einem Frühstücksei, wo man weiß, dass es von (idR. gequälten) Hühnern in Massentierhaltung stammt. Auch wenn es das beste Frühstücksei der Welt ist, bleibt ein fader Beigeschmack“.

Fällt dir auf, wieso das ein eher unguter Vergleich ist?

Meine Kritikpunkte sind:

  1. Der:die Entwickler:in wird nicht am Rande der Existenz „gehalten“ sondern ist jederzeit frei zu gehen – (private) wirtschaftliche Aspekte mal außen vor
  2. Die Entwickelnden werden nicht extra dafür gezüchtet
  3. Die Entwickelnden müssen nicht auf körpergroßem Raum, ohne Tageslicht, stehend ihr Dasein fristen
  4. Es folgt nach der Erledigung der Aufgabe nicht der sichere Tod
  5. Es ist irgendwann vorbei und es wird (vermutlich) besser

Bedenklich finde ich auch, dass der Interviewpartner nicht mehr aus diesem faden Beigeschmack macht. Moralische Probleme sollten wir eigentlich alle haben. Nicht nur beim Essen von Tierprodukten. Denn die allermeisten kaufen Kleidung oder Elektronikprodukte, die meist unter menschenfeindlichen Bedingungen gefertigt werden. Unterbezahlung, fehlender Arbeitsschutz, zu lange Arbeitszeiten, Kinderarbeit … dies alles sind viele bereit, anzuprangern. Suchen Alternativen. Oder kaufen eben mal keine neue Kleidung, da man sie eh in der Regel nicht braucht. Elektronik kann meist repariert werden. Und auf Tier kann man im Leben verzichten. Wirklich!

Tierleid vs. Menschenleid

Die beiden Themen sollten nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Ein Hühnerei essen die meisten, so auch der Mensch im Interview, trotz des faden Beigeschmacks. Warum? Es schmeckt so gut. Den Beigeschmack vergisst der Mensch wieder. Wird es nicht oft genug in den Medien gezeigt? Bitteschön. Hier: glückliche Hühner aus Biohaltung. Steht vermutlich zumindest auf der Verpackung im Bio-Supermarkt. Da, wo die Welt noch in Ordnung ist. Hust.

Allerdings möchte ich auch dankbar sein für diesen Corso-Beitrag. Denn ohne diese Aussage könnten wir die Diskussion gar nicht mit aktuellem Beispiel führen.

Für mich heißt das: Cyberpunk 2077 spiele ich nicht. So wie andere Spiele, von denen ich weiß, dass sie unter schlechten Bedinungen entstanden sind. So gern ich es auch täte, da ich auf das Spiel viele Jahre gewartet habe. Das ist mein stiller Aktivismus. Auch, wenn die Entwickler eine Belohnung für jedes verkaufte Spiel bekommen. Aber wenn der Shitstorm auf Twitter verstummt, dann wird die Chefetage beim Publisher nicht mehr daran denken und weiter so machen.

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