Es gibt neue Zahlen aus dem Fleischatlas 2021. Die Heinrich-Böll-Stiftung befragt jährlich die Menschen in Deutschland zu ihren Essgewohnheiten im Bezug auf Fleisch – daher der Name. Und die Entwicklung ist sehr erfreulich.
Fleischatlas 2021
Vor ein paar Tagen war es dann so weit: Der Fleischatlas 2021 kommt ganz „druckfrisch“ ins Netz. Mit dabei: Neue Zahlen über die „Fleischsituation“ in Deutschland. Und ich bin nur so halb überrascht.
Junge Menschen, also zwischen 15 und 29 Jahren, ernähren sich zunehmend fleischfrei. Oder wissen zumindest, dass da irgendwas falsch läuft und verhelfen sich mit Flexitarier-Dasein zu einem reinerem Gewissen. Aus ökologischer Sicht ist dagegen je nach Lebensweise nicht in allen Fällen etwas einzuwenden – in Deutschland vermutlich aber in den meisten Fällen schon.
Aber zu den erfreulichen Zahlen.
Je jünger die Menschen sind, umso weniger Fleisch kommt auf den Tisch.
- 15-19 Jahre: 1,9% vegan, 18,6% vegetrarisch
- 20 – 24 Jahre: 2,4% vegan, 9,7% vegetarisch
- 25-29 Jahre: 1,4% vegan, 8,7% vegetarisch
- Durchschnitt: 2,3% vegan, 10,4% vegetarisch
Damit sind vor allem die Veganer:innen fast doppelt so häufig vertreten, wie im Bundesdurchschnitt in anderen Erhebungen. Laut Heinrich-Böll-Stiftung liegt die Zahl insgesamt doppelt so hoch wie im Deutschlandschnitt. Sonst deckt es sich meiner Ansicht nach ganz gut: Frauen* liegen mit ca. 70% Anteil bei vegan/vegetarisch vor den Männern. Auch bei den Flexi-Omnivoren haben Frauen mit ca. 62% die Nase vorn und den „reinen“ Omnivoren die Männer mit etwa 60%. Und Studierte essen etwas öfter weniger Fleisch als die mit Ausbildung.
Besonders hervorhebenswert finde ich aber die Erkenntnis, dass es zwischen Stadt und Land keinen nennenswerten Unterschied unter den Veganer:innen und Vegetarier:innen gibt. Auch Ost-West oder Nord-Süd macht da keinen Unterschied. Echer Seltenheitswert in gesamtdeutschen Umfragen.
Klima vs. Ethik
Im Fleischatlas dreht es sich eher um die ökologischen Argumente der Ernährung. Daher spielen auch die Flexitarier eine wichtige Rolle, denn Reduktion von zuviel bewirkt mehr, da es mehr Menschen für machbar halten. Zur Erinnerung: Flexitarier sind Menschen, die „nur ganz wenig Fleisch“ und nur wenn sie wissen, „woher es kommt“, essen. Eine ethische Basis steckt da idR. nicht dahinter. Zumindest nicht, wenn man ein zweites Mal darübernachdenkt.
Immerhin wird aber auch beleutet, dass Veganer:innen zu 96% die Nutztierhaltung abschaffen wollen. Nur 49% der Vegetarier:innen – Kritik an der den Arbeitsbedingungen in der Tierwirtschaft haben beide aber etwa gleich stark.
Staat am Hebel
Die jungen Menschen sehen den Staat in der (Mit-)Verantwortung für eine nachhaltige Ernährung. Entsprechend findet sich eine deutliche Zustimmung zu vielen, allerdings nicht zu allen abgefragten Politikinstrumenten, die einen nachhaltigen Konsum unterstützen könnten. Sie befürworten eine Klimakennzeichnung von Lebensmitteln und strengere Tierschutzgesetze – ebenso, Containern zu zulassen und ein Tierschutzlabel zur Pflicht zu machen.
Grundlegend finde ich das richtig. Der freie Markt und die reichhaltige Subventionierung von Tier-Bauern hat bisher wenig zur Verbesserung für Tier und Umwelt beigetragen. Eher, dass kleine Betriebe aufgeben müssen und große noch größer werden – und immer effizientere „Nutztiere“ gezüchtet werden. Und am Ende nicht nur sog. Nutztiere, sondern auch Menschen ausgebeutet werden. (Was kleine Betriebe nicht rechtfertigen soll!)
Wenn die Politik gefühlt Lobbyisten Gesetze schreiben lässt und sich von Riesenkonzernen für Werbung einspannen lässt, erwarte ich von den Personen am Hebel allerdings wenig Ergebnisse. Dann gibt es Nebelkerzen aka. Gesetze für unkritische Omnivoren (einschließlich Flexitarier, denn nichts Anderes sind sie) und wnig Verbesserungen für die Tiere.
Ich denke, ohne die progressiv denkende „Jugend“ wird sich da wenig tun. Je mehr auf „Tier“ im Leben verzichten, um so mehr Gewicht hat die Bewegung bzw. Einstellung. Wir können nicht warten, dass sich von oben mal was tut, denn seit Jahr(zehnten) tut sich da quasi nichts.
Was in den 1960ern und 1970ern die längst überfällige (und immer noch nicht überall akzeptierte) sexuelle und kulturelle Revolution war (und auf der anderen Seite ebenfalls die hervorgebracht hat, die jetzt ganz oben mitlenken), könnten die 2020er für die vegane Bewegung werden.
Ich bin dabei. Ich hoffe, du auch.
Übrigens: Aktivismus ist nicht schwer!
Naja, die paar Prozent finde ich nicht sehr erfolgsversprechend. Und wenn die aktuelle Generation „junger Menschen“ solche Sesselfurzer wie die 1960er hervorbringt, dann haben wir demnächst ein größeres Problem … die längst überfällige Soziale (R)Evolution ist überfällig, mit rechten Parteien a wie CDU am Lenker, erstarkender AFD, unfähiger SPD oder zu kleiner linker Opposition wird das nix. Den Menschen geht es hier einfach noch zu gut. Oder nicht gut genug?
Immerhin wächst es! Das ist doch schonmal eine gute Entwicklung. Aber klar, könnte besser sein…