Wer braucht denn bitte vegane Weihnachtsmärkte?

Bald ist es wieder so weit; Weihachten steht vor der Tür. Die ersten Vorboten haben schon in Form von Lebkuchen ihren Weg in die Supermärkte gefunden. Dann wird es wieder schnell gehen: Es wird kälter, Innenstädte werden mit Plastikdekoration und bunten Lichterketten aufblinden Konsumwahn eingestimmt, Menschen werden plötzlich heilig, Wham! ist in aller Ohren – und die Weihnachts- bzw- Wintermärkte öffnen und es duftet nach Nelken und Zimt (und Seifenständen, die die schöne Luft weiterhin verpesten). Und wie üblich werde Veganer:innen vor einem Problem stehen: Der Ausgrenzung aufgrund einer Lebensentscheidung.

Wintermärkte

Die Einkaufszentren werden wieder voller. Glitzer und Tand werden zusammen mit Kunstschnee, Plastikeiszapfen und Tannenzweigen die Waren in den Schaufenstern anpreisen, aus den Lautsprechern nervt zwischen der inhouse-Werbung kein Top40 gedüdel, sondern vermeintlich auf die Weihnachtszeit einstimmende Musik. Am besten mit Glockenspiel. An jeder Ecke wird es wieder Stände mit kandierten Nüssen, schokoliertem Obst und anderen Süßigkeiten in allen Farben und Formen geben. Fressbuden verströmen ihren Duft nach verbranntem Fett und natürlich auch Glühwein.

Alles schön und gut, das Problem ist nur: Es ist fast nichts vegan.

Weihnachtsmarkt Lebkuchen Overload

Ohne Tier? Lächerlich!

Fragst du als Veganer*in nach veganem Glühwein oder suchst nach einer Speise ohne tierische Bestandteile, erhält man im besten Fall einen Komprimissvorschlag (zum Beispiel: Wasser, Saft – der es oft trotzdem nicht ist – oder die Chance bei der Bude nebenan), in der Regel aber ein Nein. Glück hast du maximal auf einem Mittelaltermarkt. Oder du bekommst gleich einen abfälligen Satz gedrückt, der vielleicht noch bei den Menschen in der Schlange für Gelächter sorgt. Um sich das zu ersparen, gehen viele Veganer*in gar nicht erst auf herkömmliche Weihnachtsmärkte, sondern weichen auf spezielle, vegane Weihnachtsmärkte aus. Oder machen Ausnahmen gegen ihr Gewissen.

Ja, die gibt es wirklich. Beim VeBu gibt es eine Liste mit immerhin 15 Stück. Verglichen mit den 79 Großstädten (>100000 Einwohner) in Deutschland ist das schon nicht mehr so viel. Aber immerhin kann man sich hier unter „Gleichen“ ohne abschätzige Bemerkungen vom Mischköstler*innen wohlfühlen.

Doch es gibt Nachteile:

  1. Wir sind nur unter uns. Wirklich lehrend (nicht belehrend) ist es nicht, wenn ich mich in meinem Dunstkreis bewege und nicht raus komme. Es ist sicher schön, wenn ich mal in einem Safespace keine Unkenrufe befürchten muss und einfach ohne Bedenken alles essen und trinken kann. Aber wir leben nunmal in einer gemischten Gesellschaft. Und ich finde, Weihnachtsmärkte sollten in der Pflicht sein, auch vegane Stände zu beherbergen. Das macht es nicht nur für Gruppen mit Veganer*innen einfacher, den Markt zu besuchen, sondern würde gleichzeitig allen anderen auch zeigen, dass es pflanzlich eben auch geht. Und das hoffentlich lecker. Machen wir uns nichts vor: Fast alles dort ist ohnehin ungesund, ob mit oder ohne Tier.
  2. Die Spezialmärkte sind nicht durchgängig offen, sondern nur an wenigen Tagen während der Weihnachtszeit. Einige haben sogar nur einen Tag an einem  offen. Und wenn sich da alle Weihnachtsmarktwilligen Veganer:innen auf den oft sehr kleinen Märkten tummeln, dann wird es voll. Zu voll für meinen Geschmack.

Bedenkt man den Anteil der Veganer*innen von mehr als 1,6% in Deutschland sind das bei 10.000 EW-Städten immerhin schon 1.600 Menschen. Rechnet man das auf die fast 26 Millionen Einwohner aller Großstädte (wo ich häufiger veganfreundliche Menschen treffe), kommen immerhin ca. 416.000 Veganer*innen als potenzielle Konsumenten in Frage. Das liegt zwischen den Einwohnerzahlen von Bochum und Duisburg. Die werden einfach auf den normalen Märkten als Kunden untergraben, dabei ist da so viel Potenzial vorhanden. Und es sind noch nicht einmal die Flexitarier mitgezählt, die damit ihr Gewissen beruhigen wollen.

Orange Gewürze Nelken Zimt Zucker Sternanis Weihnachten

Was ist nun richtig?

Ich bin in der Zwickmühle. Natürlich freue ich mich über das alternative Angebot und den bedenkenlosen Besuch. Nach außen hat das die Wirkung, als würde man sich abkapseln. Ich finde, wir sollten diese Märkte zwar besuchen, perspektivisch aber meiden.

Die hohe Nachfrage auf den veganen Wintermärkten in Leipzig war so hoch, dass ich es nur wenige Minuten ausgehalten habe. Es war einfach kein Platz, ewig lange Schlangen, keine Chance auf „besinnliche Zeit“. Das Problem: Die Gesellschaft nicht vegan und viele Freunde werden sich wohl eher nicht überzeugen lassen, auf einen veganen Markt mitzukommen. Veganer auf normale Märkte hingegen schon viel eher. Und vielleicht ist dann auch die Test-Hemmschwelle der Omnivoren nicht so hoch. Integrieren und von Innen heraus verändern.

Also…

Geht auf die veganen Weihnachtsmärkte – sofern sie wegen Covid-19-Risiko überhaupt stattfinden. Sagt den Betreibern dort, dass die sich auf den herkömmlichen Märkten einmieten sollen.

Geht auf die Herkömmlichen, damit die Betreiber immer wieder das Wort vegan hören und somit auch die kommenden Jahre über ein erweitertes Sortiment nachdenken. Am Ende haben in einer idealen Welt alle etwas davon.

Und jetzt wünschen wir euch eine frohe Vorweihnachtszeit und einen leckeren, veganen Glühwein bzw. Kinderpunsch oder eine „Alternativmilchschokolade“.

Disclaimer: Nutripunk.de ist werbefrei, unabhängig und geht keine Kooperationen ein.

Nutripunk.de ist kein Arzt und ersetzt keine ärztliche Beratung. Es gibt maximal Tipps aus eigener Erfahrung, die nicht allgemeingültig sind. Wenn du krank bist: Geh zum Arzt und such nicht im Netz nach Lösungen!

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